dt_rentenversicherungsbund.jpgIn letzter Zeit ist anlässlich von Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger häufig festgestellt worden, dass Beiträge zur Sozialversicherung aus geschuldetem Arbeitsentgelt nicht gezahlt wurden. Ausgelöst werden die Probleme ganz offensichtlich durch das Auseinanderfallen von Steuerrecht und Beitragsrecht der Sozialversicherung.

In letzter Zeit ist anlässlich von Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger häufig festgestellt worden, dass Beiträge zur Sozialversicherung aus geschuldetem Arbeitsentgelt nicht gezahlt wurden. Ausgelöst werden die Probleme ganz offensichtlich durch das Auseinanderfallen von Steuerrecht und Beitragsrecht der Sozialversicherung.

Die Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Steuerberaterverband, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und die BfA geben daher die nachfolgenden Hinweise.

Entstehungsprinzip und Zuflussprinzip

Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gilt seit dem Inkrafttreten des SGB IV am 01.07.1977 bei der Erhebung der Einnahmen das sogenannte Entstehungsprinzip. Dies bedeutet, dass Beiträge dann fällig werden, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Das Bundessozialgericht hat das Entstehungsprinzip in seinen Urteilen vom 25.09.1981 - 12 RK 58/80 -, vom 26.10.1982 - 12 RK 8/81 -, vom 26.11.1985 - 12 RK 51/83 -, vom 30.08.1994 - 12 RK 59/92- und vom 21.05.1996 - 12 RK 64/94 - bekräftigt; Beiträge sind auch für geschuldetes, bei Fälligkeit aber noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu zahlen.

In dieser Frage unterscheidet sich das Beitragsrecht der Sozialversicherung seit 1977 ganz entscheidend vom Steuerrecht. Im Steuerrecht gilt unverändert das sogenannte Zuflussprinzip. Steuerrechtlich entscheidend ist also, ob und ggf. wann eine Einnahme zugeflossen ist. Verzichtet ein Arbeitnehmer auf die Auszahlung eines Arbeitsentgelts (z.B. auf das Weihnachtsgeld) oder zahlt der Arbeitgeber unter Tarif, sind aus dem nicht oder zuwenig gezahlten Arbeitsentgelt keine Steuern zu zahlen, weil die Einnahme nicht zugeflossen ist.

In der Sozialversicherung ist die Sache wesentlich komplizierter: Es muss geprüft werden, ob ein wirksamer Verzicht auf das Arbeitsentgelt (z.B. auf Grund einer Öffnungsklausel im Tarifvertrag) vorlag bzw. ob die Vergütung unter Tarif zulässig war. Dabei kann es allenfalls einen wirksamen vorausschauenden Verzicht geben. Ein rückwirkender Verzicht der Arbeitnehmer auf Entgeltansprüche führt nicht zu einer Reduzierung der Beitragsforderung. Der Beitragsanspruch ist bereits entstanden und wird durch den Verzicht auf Arbeitsentgelt nicht mehr beseitigt.

Bedingt gilt auch im Steuerrecht das Entstehungsprinzip: Im Zusammenhang mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ist Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 39 EStG nur solange anzunehmen, wie der Arbeitgeber Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung zahlt. Wird der Beschäftigte (ggf. auch rückwirkend) versicherungspflichtig, kommt es auch zur Steuerpflicht. Steuerpflichtig ist allerdings lediglich der zugeflossene Lohn.

Wirkung von Tarifverträgen

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages unmittelbar und zwingend lediglich zwischen den Tarifvertragsparteien. Dies bedeutet, dass die Tarifbestimmungen automatisch den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestalten, ohne dass es auf die Billigung oder auch nur die Kenntnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ankommt. Erst recht bedarf es keiner Anerkennung, Unterwerfung oder Übernahme des Tarifvertrages durch die Parteien eines Einzelarbeitsvertrages. Die Regelungen des Tarifvertrages gelten selbst dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich gegenteilige oder auch andere Bedingungen vereinbart haben. Auch neu geschlossene tarifwidrige Arbeitsverträge sind hinsichtlich des tarifwidrigen Teils unwirksam. Ebenfalls sind Vertragsabsprachen, die den durch Tarifvertrag gestalteten Arbeitsvertrag auf Zeit einschränken oder suspendieren wollen, unwirksam.

Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (sog. Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG). Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG). Der Tarifvertrag entfaltet diese Wirkung jedoch nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die tarifgebunden im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG sind.

Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge

Eine besondere Stellung nehmen allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge ein. Nach § 5 Abs. 1 TVG kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss, der sich aus jeweils drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammensetzt, einen Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären. Mit einer derartigen Erklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Dadurch wird die Effektivität der Tarifverträge gegen Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen gesichert. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist ein Instrument, das die Ordnung des Arbeitslebens abstützen soll, indem sie den Normen des Tarifvertrages zu größerer Durchsetzungskraft verhilft. Sie dient damit der Chancengleichheit im Wirtschaftsleben.

Allgemeinverbindliche Tarifverträge enthalten in der Regel keine Öffnungsklauseln. Die Allgemeinverbindlichkeit muss nicht immer den Anspruch auf Arbeitsentgelt betreffen; es können auch z. B. Regelungen über die Arbeitsbedingungen für allgemeinverbindlich erklärt werden.

Ein Entgeltanspruch mindestens in Höhe des im allgemeinverbindlichen Tarifvertrag festgesetzten Lohns kann von den Parteien eines Arbeitsvertrages, die der Geltung dieses Tarifvertrages unterliegen, nicht rechtswirksam unterschritten werden. Die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages kann auch Rückwirkung haben.

Auswirkungen des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG)

Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Das Gesetz ist zum 01.01.2001 in Kraft getreten.

Auf Grund des Verbotes der Diskriminierung nach § 4 Abs. 1 TzBfG kann unmittelbar ein Anspruch auf ein bestimmtes Arbeitsentgelt und damit ein Anspruch auf Sozialversicherungsbeiträge nicht hergeleitet werden.

Verzicht auf Arbeitsentgelt

Der Verzicht auf Teile des Arbeitsentgelts muss kumulativ folgende drei Kriterien erfüllen, um beitragsrechtlich berücksichtigt zu werden:

Der Verzicht muss arbeitsrechtlich zulässig sein

  • Bei einem bindenden Tarifvertrag ist der Gehaltsverzicht nur zulässig, soweit eine Öffnungsklausel besteht und diese Öffnungsklausel nicht gegen das Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG) vom 28. Dezember 2000 (BGBl I S. 1966) verstößt. Liegt kein bindender Tarifvertrag vor, ist ein einzelarbeitsvertraglich ausgesprochener Gehaltsverzicht vorbehaltlich des TzBfG ohne Weiteres arbeitsrechtlich zulässig.

Der Verzicht muss schriftlich niedergelegt sein

  • Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG müssen die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzuwendungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und dessen Fälligkeit schriftlich niedergelegt sein. Ein Gehaltsverzicht gehört zu den schriftlich niederzulegenden Arbeitsvertragsinhalten. Die Niederschrift ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Beitragsüberwachungsverordnung zu den Lohnunterlagen zu nehmen.
  • Ausgenommen von der Nachweispflicht sind die in § 1 NachwG genannten Personen (Arbeitnehmer, die nur zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt werden). Die Niederschrift ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 Beitragsüberwachungsverordnung zu den Lohnunterlagen zu nehmen.

Der Verzicht darf nur auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet sein

  • Ein rückwirkender Verzicht der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgeltanspruch führt nicht zu einer Reduzierung der Beitragsforderung. Der Beitragsanspruch ist bereits entstanden und wird durch den Verzicht auf das Arbeitsentgelt nicht mehr beseitigt (bestätigt durch Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2000 L 5 KR 27/00).

Erfüllt der Verzicht auch nur eines der oben genannten drei Kriterien nicht, ist er beitragsrechtlich nicht zu beachten. Für die Prüfung der Versicherungspflicht und die Beitragsberechnung ist dann das Arbeitsentgelt ohne Verzicht maßgebend.

Auswirkungen auf die betriebliche Praxis

In der betrieblichen Praxis treten häufig Probleme auf, wenn geringfügig Beschäftigte mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 630 DM/325 EUR beschäftigt werden, die einen Anspruch auf eine Sonderzahlung haben, auf diese aber verzichten. Wenn ein wirksamer Verzicht nicht möglich ist, entsteht unweigerlich Versicherungspflicht. Bei dieser Fallgestaltung wird häufig die Frage gestellt, ob es zulässig ist, die Sonderzahlung in zwölf gleichen Teilen monatlich zusammen mit dem laufenden Arbeitsentgelt auszuzahlen und letzteres gleichzeitig entsprechend zu reduzieren. Eine Umlegung von Sonderzahlungen ist aus beitragsrechtlicher Sicht tolerabel, wenn das gezahlte Arbeitsentgelt mindestens so hoch ist wie das tarifvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt inklusive der geschuldeten Sonderzuwendungen und der Arbeitnehmer der Umlegung zustimmt. Eine Umlegung von Sonderzahlungen ist nicht möglich, sofern dies bereits im Tarifvertrag ausgeschlossen bzw. durch Tarifvertrag ein Zahlungszeitpunkt vorgegeben ist. Eine Umlegung in Form der Reduzierung des laufenden Arbeitsentgelts ist aus beitragsrechtlicher Sicht tolerabel, wenn die Reduzierung des Arbeitsentgelts Folge einer verminderten Arbeitszeit ist.

In Zweifelsfällen sollte die zuständige Einzugsstelle eingeschaltet werden. Denn Beitragsnachforderungen gehen i.d.R. voll zu Lasten des Arbeitgebers. Nach § 28g SGB IV kann ein unterbliebener Beitragsabzug beim Arbeitnehmer nur in den nächsten drei Lohn oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Arbeitgeber den unterbliebenen Abzug nicht zu vertreten hat. Ein unbeschränkter Rückgriff ist möglich, wenn der Arbeitnehmer seinen Mitteilungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Bei den hier behandelten Fallgestaltungen dürfte dies aber kaum der Fall sein.

Übersicht der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gibt zu Beginn eines jeden Quartals im Bundesarbeitsblatt ein Verzeichnis der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge heraus. Das Verzeichnis kann auch im Internet unter http://www.bmwa.bund.de eingesehen werden. Es stellt lediglich eine Momentaufnahme dar. In einem besonderen Teil des Verzeichnisses wird zwar auf die Tarifverträge hingewiesen, deren Allgemeinverbindlichkeit im abgelaufenen Quartal endet; darüber hinaus gibt es keine Historie.

Der Inhalt der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge kann bei den Tarifauskunftsstellen bei den jeweiligen Bezirksregierungen bzw. bei den Arbeits- und Sozialministerien erfragt werden.

Quelle: eutsche-rentenversicherung-bund.de